EPISODE 1: Die Wissenschaft hinter der Kunst
Wie Technologie die Kunstwelt revolutioniert
15.10.2025 25 min
Zusammenfassung & Show Notes
In dieser ersten Episode haben wir die wissenschaftliche Revolution in der Kunstbewertung erkundet. Von UV-Fluoreszenz, die geheime Übermalungen enthüllt, über Infrarotreflektographie, die Unterzeichnungen sichtbar macht, bis hin zur hyperspektralen Bildgebung, die jeden Pigment-Fingerabdruck liest. Wir haben gesehen, wie künstliche Intelligenz Pinselstriche analysiert und wie forensische Techniken auf molekularer Ebene arbeiten. Gleichzeitig haben wir verstanden, dass alle Technologie nur so gut ist wie die menschlichen Experten, die sie interpretieren – die perfekte Synthese von Wissenschaft und Humanismus.
KEY TAKEAWAYS:
- Technologie hat die Kunstwelt revolutioniert – UV-Licht, Infrarotstrahlen und KI enthüllen Geheimnisse, die für das bloße Auge unsichtbar sind
- Hyperspektrale Bildgebung ist der neue Goldstandard – sie erstellt spektrale Fingerabdrücke jedes Pigments und kann Fälschungen durch anachronistische Materialien entlarven
- Künstliche Intelligenz analysiert Pinselstriche – trainiert auf Tausenden authentischen Werken, erkennt sie mikroskopische Muster, die menschliche Experten übersehen könnten
- Forensische Techniken arbeiten auf molekularer Ebene – Massenspektrometrie kann synthetische Materialien identifizieren, die erst im 20. Jahrhundert verfügbar wurden
- Menschliche Expertise bleibt unverzichtbar – Technologie liefert Daten, aber nur geschulte Experten können diese im kunsthistorischen Kontext interpretieren
Aboniert den Podcast und schaut auf der homepage der Gesellschaft für Arbeitsmethodik e. V. - GfA e.V. vorbei.
LITERATUR
DEUTSCHSPRACHIG:
1. Schädler-Saub, Ursula & Weyer, Angela (Hrsg.): Theorie und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland.
Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2021. ISBN: 978-3-7388-0537-1
→ Umfassendes Standardwerk zu Konservierungswissenschaft und technischer Kunstanalyse mit detaillierten Kapiteln zu modernen Untersuchungsmethoden.
Verfügbar: Fachbuchhandel, Universitätsbibliotheken
Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2021. ISBN: 978-3-7388-0537-1
→ Umfassendes Standardwerk zu Konservierungswissenschaft und technischer Kunstanalyse mit detaillierten Kapiteln zu modernen Untersuchungsmethoden.
Verfügbar: Fachbuchhandel, Universitätsbibliotheken
2. Herm, Christoph: Chemie für Kunst und Restaurierung.
Berlin: De Gruyter, 2019. ISBN: 978-3-11-058702-7
→ Exzellente Einführung in die chemischen und physikalischen Grundlagen der Kunstanalyse, besonders stark bei Pigmentchemie.
Verfügbar: Wissenschaftliche Buchhandlungen, Online
Berlin: De Gruyter, 2019. ISBN: 978-3-11-058702-7
→ Exzellente Einführung in die chemischen und physikalischen Grundlagen der Kunstanalyse, besonders stark bei Pigmentchemie.
Verfügbar: Wissenschaftliche Buchhandlungen, Online
3. Roth, Martin: Naturwissenschaft und Kunst: Methoden der technologischen Kunstforschung.
München: Hirmer Verlag, 2020. ISBN: 978-3-7774-3524-8
München: Hirmer Verlag, 2020. ISBN: 978-3-7774-3524-8
Transkript
Hallo und herzlich willkommen zu einer
brandneuen Serie in der Reihe GFA
Kulturwelten. Ich bin Luisa und ich freue
mich riesig, dich auf eine faszinierende
Reise mitzunehmen. In den kommenden
Episoden werden wir gemeinsam in die
komplexe, geheimnisvolle und manchmal
überraschende Welt der Kunstbewertung
eintauchen. Wie entscheiden Experten, ob
ein Gemälde millionenwert ist, oder nur
einige tausend Euro? Was passiert hinter
den Kulissen von Christis und Sothebis?
Und wie kann ein einzelnes
wissenschaftliches Detail den Unterschied
zwischen einem Meisterwerk und einer
Fälschung ausmachen? Heute starten wir mit
etwas, das die Kunstwelt in den letzten
Jahrzehnten revolutioniert hat – modernste
Technologie und Wissenschaft. Wir sprechen
über UV-Lampen, die geheime Übermalungen
enthüllen. über Infrarotstrahlen, die
unter die Farboberfläche blicken, und
sogar über künstliche Intelligenz, die
Pinselstriche analysiert wie ein digitaler
Detektiv. Hast du dich jemals gefragt, wie
Experten mit absoluter Sicherheit sagen
können, ja, das ist ein echter Rembrandt,
oder eben nicht? Wie können sie ein 400
Jahre altes Gemälde untersuchen, ohne es
zu beschädigen? Dann schnall dich an, denn
wir betreten jetzt das Labor, wo Kunst auf
Wissenschaft trifft. Lass uns gemeinsam
entdecken, wie Technologie die Geheimnisse
der Meister lüftet. Die Revolution beginnt
Stell dir vor, Du stehst vor einem
wunderschönen Gemälde in einem
Auktionshaus. Es soll ein Caravaggio sein,
einer der umstrittensten Maler des Barock.
Der Schätzpreis? 15 Millionen Euro. Aber
wie kannst du sicher sein, dass es
wirklich von Caravaggio stammt? Vor
hundert Jahren hätten Experten nur ihr
geschultes Auge gehabt. Sie hätten die
Pinselführung studiert, die Komposition
analysiert, vielleicht historische
Dokumente durchforstet. Heute? Heute haben
wir ein Arsenal an wissenschaftlichen
Werkzeugen, die uns Dinge zeigen können,
die für das bloße Auge unsichtbar sind.
Die Art und Weise Wie wir Kunstwerke
authentifizieren und bewerten, hat sich in
den letzten Jahrzehnten dramatisch
verändert. Lass mich dir ein Geheimnis
verraten. Die meisten großen Museen und
Auktionshäuser haben heute eigene Labore.
Nicht nur Archive oder
Restaurierungswerkstätten. Nein, richtige
wissenschaftliche Labore mit Equipment,
das du eher in einem Forschungsinstitut
erwarten würdest. Und warum? Weil in der
Kunstwelt unglaublich viel Geld auf dem
Spiel steht. Und weil Fälscher immer
raffinierter werden. Die gute Nachricht?
Die Wissenschaft wird noch schneller
besser. UV-Fluoreszenz Geheime Spuren im
unsichtbaren Licht Fangen wir mit einer
der ältesten, aber immer noch wichtigsten
Techniken an, der UV-Fluoreszenz-Analyse.
UV steht für Ultraviolett. Das ist Licht,
das für unsere Augen unsichtbar ist, aber
faszinierende Dinge sichtbar machen kann.
Wie funktioniert das? Ganz einfach. Ein
Kunstwerk wird mit UV-Licht bestrahlt. oft
in einem abgedunkelten Raum. Und dann
passiert etwas Magisches. Verschiedene
Materialien beginnen zu fluoreszieren,
also zu leuchten. Ein originaler Firnis
aus dem 18. Jahrhundert. Das ist die
schützende Lackschicht auf einem Gemälde.
Zeigt charakteristische grün-gelbe
Fluoreszenzmuster. Moderne Übermalungen
oder Restaurierungen erscheinen dagegen
als dunklere Bereiche, fast wie schwarze
Flecken. Warum ist das so wichtig? Stell
dir vor, du kaufst ein Gemälde, von dem du
denkst, es sei vollständig original. Aber
unter UV-Licht entdeckst du plötzlich,
dass 50 Prozent der Oberfläche im 20.
Jahrhundert übermalt wurden. Das würde den
Wert erheblich beeinflussen. Wir reden
hier von Preisunterschieden im
sechsstelligen Bereich. Diese Technik ist
besonders wertvoll, um versteckte
Reparaturen zu identifizieren. Manchmal
wurden Schäden so geschickt retuschiert,
dass sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen
sind. Aber unter UV-Licht? Da gibt es kein
Verstecken. Ein berühmtes Beispiel. Ein
vermeintlicher Altermeister wurde zur
Prüfung eingereicht. Auf den ersten Blick
sah alles perfekt aus. Aber als die
Experten das UV-Licht anschalteten,
leuchteten plötzlich ganze Bereiche auf,
moderner Acrylfarben, die jemand verwendet
hatte, um das Werk aufzufrischen. Die
Authentifizierung? Gescheitert. Der Blick
unter die Oberfläche Jetzt wird es noch
spannender. Denn mit der
Infrarotreflektographie können wir
buchstäblich unter die Farboberfläche
eines Gemäldes blicken. Viele historische
Künstler, besonders in der Renaissance und
im Barock, skizzierten ihre Kompositionen
zunächst. Sie nutzten oft Kohle- oder
andere kohlenstoffbasierte Materialien, um
die groben Linien und Formen festzulegen,
bevor sie mit dem eigentlichen Malen
begannen. Diese Unterzeichnungen sind für
Infrarot-Licht durchlässig. Das bedeutet,
eine Infrarot-Kamera kann durch die
Farbschichten hindurchschauen und diese
ursprünglichen Skizzen sichtbar machen.
Warum ist das so ein Gemschange? weil
diese Unterzeichnungen wie Fingerabdrücke
funktionieren. Jeder Künstler hatte seine
eigene Art zu skizzieren, seine eigene
Handschrift sozusagen. Rembrandt zum
Beispiel arbeitete sehr spontan. Seine
Unterzeichnungen zeigen oft Änderungen,
Korrekturen, eine lebendige Entwicklung
der Komposition. Wenn du ein Gemälde
untersuchst, das angeblich von Rembrandt
stammt, aber die Unterzeichnung ist steif,
mechanisch, ohne jede Spontaneität, dann
ist das ein Warnsignal. Ich finde es
unglaublich faszinierend, dass wir heute
in die Gedanken eines Künstlers von vor
400 Jahren schauen können. Wir sehen seine
Zweifel, seine Entscheidungen, seine
Kreativität in Echtzeit, sozusagen. Ein
konkretes Beispiel, bei der Untersuchung
eines vermuteten Vermehr-Gemäldes
entdeckten Forscher unter den
Farbschichten eine Unterzeichnung, die
absolut nicht zu Vermehrs bekannten
Arbeitsmethoden passte. Das war der erste
Hinweis darauf, dass hier etwas nicht
stimmte. Weitere Tests bestätigten, es war
eine hochqualitative Kopie aus dem 19.
Jahrhundert. Hyperspektrale Bildgebung Der
neue Goldstandard Jetzt kommen wir zu der
Technik, die seit etwa 2024 als
Goldstandard in der Kunstanalyse gilt, die
Hyperspektrale Bildgebung. Das klingt
erstmal kompliziert, aber das Prinzip ist
eigentlich elegant. Normale Kameras nehmen
Bilder in drei Farben auf. Rot, Grün,
Blau. Hyperspektrale Kameras gehen viel
weiter. Sie erfassen Daten über Dutzende
oder sogar Hunderte von
Wellenlängenbändern. Was bedeutet das
praktisch? Jedes Pigment, jede Farbe, die
ein Künstler verwendet hätte, hat einen
einzigartigen spektralen Fingerabdruck.
Mit hyperspektraler Bildgebung können wir
diesen Fingerabdruck lesen. Und hier kommt
der entscheidende Punkt. Historische
Pigmente wurden zu unterschiedlichen
Zeiten eingeführt. Preußischblau zum
Beispiel erschien erstmals im Jahr 1704.
Kobaltblau wurde ab 1800 zwar kommerziell
verfügbar. Synthetisches Ultramarin kam
1826 auf den Markt. Stell dir vor. Du
untersuchst ein Gemälde, das angeblich aus
dem Jahr 1750 stammt. Die
Hyperspektraleanalyse zeigt, es enthält
Spuren von Kobaltblau. Unmöglich! Dieses
Pigment existierte damals noch nicht. Das
Gemälde ist entweder eine Fälschung oder
wurde später übermalt. Diese Methode ist
so präzise, dass sie sogar die Bindemittel
identifizieren kann, also ob ein Künstler
Leinöl, Walnushöl oder Tempera verwendet
hat. Das mag wie ein unwichtiges Detail
klingen, aber verschiedene Künstler und
verschiedene Epochen hatten
charakteristische Materialpräferenzen.
Leonardo da Vinci zum Beispiel
experimentierte gerne mit verschiedenen
Bindemitteln, manchmal mit katastrophalen
Ergebnissen, wie beim letzten Abendmahl,
das schon zu seinen Lebzeiten zu bröckeln
begann. Wenn du also ein angebliches
Leonardo-Werk untersuchst und die
Bindemittelanalyse zeigt nur
standardisiertes Leinöl ohne jede
Experimentierfreude, dann passt das nicht
zum Meister. wenn Maschinen Pinselstriche
lesen. Und jetzt kommen wir zu etwas, das
die Kunstwelt seit etwa 2024
revolutioniert. Künstliche Intelligenz in
der Kunstanalyse. Ich weiß, KI klingt wie
Science Fiction. Aber die Anwendungen sind
sehr real und unglaublich leistungsfähig.
Vision-Transformer-Modelle Das sind
spezielle KI-Systeme, werden jetzt
trainiert, um mikroskopische
Pinselstrichmerkmale zu analysieren. Die
Art und Weise, wie ein Künstler den Pinsel
aufträgt, ist so einzigartig wie eine
Unterschrift. Der Druck, die Richtung, die
Geschwindigkeit, die Schichtung, all das
hinterlässt Spuren. Forscher haben
KI-Systeme entwickelt. die auf tausenden
authentifizierten Werken trainiert wurden.
Diese Systeme können jetzt mit
erstaunlicher Genauigkeit bestimmen, ob
ein neues Werk mit den bekannten Praktiken
eines Künstlers übereinstimmt. Was
analysiert die KI genau? Vier
Hauptbereiche 1. Pinselstrichrichtung und
Druck Die KI misst mikroskopische
Variationen in der Art, wie Farbe
aufgetragen wurde. Ist der Druck konstant
oder variabel? Gibt es charakteristische
Muster? 2. Kompositionelle Präferenzen
Jeder Künstler hat wiederkehrende Muster
in der Bildgestaltung. Die KI erkennt
diese Muster über hunderte von Werken
hinweg. 3. Farbpalettenkonsistenz
statistische Analysen der bevorzugten
Farbkombinationen. Manche Künstler liebten
bestimmte Farbharmonien, andere vermieden
sie. Und viertens Krakelore-Muster, also
die charakteristischen Rissmuster, die
sich im Laufe der Zeit in der
Farboberfläche entwickeln. Die Art, wie
Farbe altert und reißt, hängt von
unzähligen Faktoren ab. Und die KI kann
diese Muster lesen. Ein bemerkenswertes
Beispiel aus dem Jahr 2024 Ein
umstrittenes Rembrandt-Gemälde wurde von
Experten untersucht. Die menschlichen
Gutachten waren gespalten. Manche waren
überzeugt, es sei echt, andere zweifelten.
Dann kam die KI-Analyse. Sie
identifizierte mikroskopische
Pinselstrichmuster, die perfekt mit
authentifizierten Werken aus derselben
Periode übereinstimmten. Die KI fand
Übereinstimmungen, die für das menschliche
Auge zu subtil waren. Das Werk wurde
schließlich als authentisch akzeptiert.
Aber, und das ist wichtig, die KI
entschied nicht allein. Sie lieferte
Daten. die menschliche Experten
interpretierten. Das ist der Schlüssel. KI
ist ein Werkzeug, kein Ersatz für
menschliche Expertise. Moleküle erzählen
Geschichten Lass uns noch tiefer gehen,
bis auf die molekulare Ebene. Denn moderne
Kunstanalyse nutzt Techniken, die direkt
aus der forensischen Wissenschaft stammen.
Da ist zum Beispiel die
Röntgenfluoreszenz-Spektroskopie, kurz
XRF. Diese Technik ermöglicht die
nicht-invasive elementare Analyse von
Pigmenten. Was bedeutet das? XRF
identifiziert die chemischen Elemente in
der Farbe. Ist das Blau aus Kobalt oder
aus Kupfer? Ist das Weißblei weiß oder
Zinkweiß? Diese Details können zwischen
natürlichen und synthetischen Varianten
desselben Pigments unterscheiden. Dann
haben wir die Radiokarbondatierung. Du
kennst das vielleicht aus der Archäologie,
die Methode, mit der man das Alter von
organischen Materialien bestimmt. Das
funktioniert auch für Kunstwerke.
Leinwände, Holzpaneele, sogar einige
Pigmente sind organisch. die
Radiokarbondatierung kann bestätigen, dass
eine Leinwand tatsächlich aus dem 17.
Jahrhundert stammt. Aber, und das ist ein
großes Aber, das bedeutet nicht
automatisch, dass die Malerei darauf auch
aus dieser Zeit stammt. Warum nicht? Weil
clevere Fälscher genau das wissen. Sie
kaufen alte, wertlose Gemälde oder
Leinwände aus der richtigen Periode und
malen darauf ihre Fälschungen. Die
Leinwand ist authentisch, die Malerei
nicht. Und schließlich die
Massenspektrometrie. Diese Technik
analysiert die molekulare Zusammensetzung
von Bindemitteln und Firnissen. Sie kann
synthetische Polymere identifizieren, die
erst im 20. Jahrhundert verfügbar wurden,
auch wenn sie nur in winzigen Mengen
vorhanden sind. Ein konkreter Fall Ein
angebliches Gemälde aus dem 18.
Jahrhundert wurde untersucht. Alle
Pigmente waren zeitgenössisch. Die
Leinwand war korrekt datiert. Die
Krakellohre sah überzeugend aus. Aber die
Massenspektrometrie fand Spuren eines
synthetischen Polymers im Firnis. Etwas,
das es erst seit 1950 gibt. Das Werk war
eine raffinierte Fälschung. Warum wir
Menschen brauchen Bei all dieser
beeindruckenden Technologie müssen wir
über etwas Wichtiges sprechen. Die Grenzen
wissenschaftlicher Analyse. Trotz aller
Fortschritte ist es entscheidend zu
verstehen, dass wissenschaftliche Analyse
allein niemals das geschulte Auge und die
historische Expertise ersetzen kann.
Technologie kann uns sagen, was vorhanden
ist, welche Materialien, welche Pigmente,
welches Alter. Aber nur menschliche
Expertise kann die Bedeutung dieser
Befunde im kunsthistorischen Kontext
interpretieren. Lass mich dir ein
perfektes Beispiel geben. Im Jahr 2020
tauchte ein vermeintlicher Caravaggio auf.
Das Werk durchlief alle wissenschaftlichen
Tests, und bestand sie mit Bravour. Die
Materialien waren zeitgemäß. Die Technik
war konsistent. Die Pigmente stimmten. Die
Krakellohre sah authentisch aus.
Wissenschaftlich gesehen war alles
perfekt. Aber dann kamen die
Kunsthistoriker. Sie identifizierten
ikonographische Inkonsistenzen, also
Ungereimtheiten in der Bildsprache und
Symbolik. Bestimmte Details in der
Darstellung waren für Caravaggio's
bekanntes Werk einfach untypisch. Die
stilistischen Elemente passten nicht ganz
zu seiner dokumentierten Entwicklung. Was
stellte sich heraus? Es war eine
zeitgenössische Kopie von hoher Qualität,
wahrscheinlich aus Caravaggios eigener
Werkstatt. Ein wichtiges historisches
Dokument, aber nicht von der Hand des
Meisters selbst. Und damit natürlich
Millionen weniger Wert. Das zeigt uns, die
beste Kunstbewertung entsteht aus der
Synthese von Wissenschaft und Humanismus.
Die Technologie liefert objektive Daten.
Der menschliche Experte bringt Kontext,
historisches Wissen, ästhetisches
Urteilsvermögen und kulturelles
Verständnis. Stell dir ein Orchester vor.
Die wissenschaftlichen Instrumente sind
wie die verschiedenen Musiker. Jeder
spielt seine Partie. Aber es braucht einen
Dirigenten, der alles zusammenführt und
interpretiert. Das sind die Experten, die
Kunsthistoriker, die Kenner. In den
kommenden Episoden werden wir diese
anderen Dimensionen der Kunstbewertung
erkunden, die Geschichte, den Zustand, die
Ästhetik, den Markt. Aber für heute haben
wir etwas Fundamentales gelernt. Moderne
Kunstbewertung ist eine faszinierende
Verbindung von Hightech und menschlicher
Intuition. Wow! Was für eine Reise durch
die Labore und Analysezentren der
Kunstwelt! Heute haben wir gemeinsam
gesehen, wie UV-Licht geheime Übermalungen
enthüllt. wie Infrarotstrahlen uns unter
die Farboberfläche blicken lassen, und wie
künstliche Intelligenz Pinselstriche mit
einer Präzision analysiert, die vor
wenigen Jahren noch undenkbar war. Wir
haben verstanden, dass hyperspektrale
Bildgebung der neue Goldstandard ist, dass
Massenspektrometrie molekulare Geheimnisse
lüftet, und dass all diese Technologie nur
so gut ist wie die Experten, die sie
interpretieren. Was mich persönlich am
meisten beeindruckt hat? Diese Erkenntnis,
dass wir heute in die Arbeitsprozesse von
Künstlern schauen können, die vor
Jahrhunderten gelebt haben. Dass wir ihre
Unterzeichnungen sehen, ihre Korrekturen,
ihre kreativen Entscheidungen. Das ist wie
eine Zeitmaschine, nur dass wir sie mit
Wissenschaft gebaut haben. Wenn dir diese
Folge gefallen hat, dann teile sie gerne
mit anderen Kunstinteressierten.
Vielleicht mit jemandem, der gerade in
einem Museum steht und sich fragt, wie
weiß man eigentlich, dass das echt ist? In
den Shownotes findest du alle Stichworte,
weiterführende Literatur auf Deutsch und
Englisch, und Links zu relevanten
Institutionen und Datenbanken. was du
brauchst, um noch tiefer in dieses Thema
einzusteigen. Aber wissenschaftliche
Analyse ist nur die halbe Miete. Denn
selbst wenn alle Tests bestätigen, dass
ein Gemälde aus dem 17. Jahrhundert
stammt, wie können wir sicher sein, dass
es nicht während des Zweiten Weltkriegs
geraubt wurde? Oder dass es vor 300 Jahren
nicht schon einmal gestohlen wurde? Und
die Geschichte eines Kunstwerks, seine
Provenienz, seine Biografie, kann genauso
spannend sein wie ein Kriminalroman. Und
manchmal ist sie der entscheidende Faktor
zwischen einem
10-Millionen-Euro-Meisterwerk und einem
wertlosen Stück Leinwand. Was passiert,
wenn ein perfekt authentifiziertes Gemälde
plötzlich mit einer dunklen Vergangenheit
konfrontiert wird? wenn Erben auftauchen
und sagen, das gehörte meiner Familie,
bevor die Nazis es raubten? Darüber
sprechen wir in der nächsten Folge von GFA
Kulturwelten. Wir tauchen ein in die
faszinierende Welt der
Provenienzforschung, die Detektivarbeit,
die oft wichtiger ist als jeder
wissenschaftliche Test. Bis dahin, bleib
neugierig und bewahre deinen Blick für das
Besondere in der Kunst.